“Gangster Girls”: Vorpremiere im Gefängnis


APA

Aufgeregtes Schnattern füllt den Kulturraum der Justizanstalt Schwarzau. So etwas gibt es schließlich nicht jeden Tag: “Ich wollte, dass ihr ihn zuerst seht”, sagt Tina Leisch einleitend zu ihrem Dokumentarfilm “Gangster Girls”, der den Insassinnen des Frauengefängnisses schon gestern, Dienstag, noch vor der Viennale-Uraufführung gezeigt wurde. “Denn ihr seid die, um die es geht.”

Im abgeschlossenen Kinosaal sitzen jedoch nur noch drei der Frauen, die im Film vorkommen. “Ich glaube, das ist ganz gut, sonst wäre es wahrscheinlich sehr komisch”, resümiert Cindy, eine der drei, später im Gespräch mit der APA. Gemeinsam mit der Theatergruppe hatte Cindy beim Dreh vor etwa einem Jahr vor der Kamera gestanden und den Mut gehabt, ihre Geschichte zu erzählen. “Es war eine gute Erfahrung, eine Abwechslung”, berichtet die 26-Jährige. Zusammen mit dem Jugendgefängnis Gerasdorf erarbeitete die Truppe mit Tina Leisch eine Theaterproduktion: “Medea”. Daraus war schließlich die Idee entstanden, einen Film zu machen. “Beim Theaterspielen gibt es für die Frauen plötzlich einen Freiraum. Wo die Entmündigung einmal aufhört und sie sich spielerisch mit den Dingen auseinandersetzen können”, erklärt die Regisseurin im APA-Gespräch. Genau darin habe sie die Chance gesehen, die Menschen hinter den Täterinnen zu porträtieren.

Gekicher erntet der Streifen schon beim Titel, wenn die “Gangster Girls” sich auf der Leinwand bewundern. Gelächter bricht aus bei manchen Improvisationsszenen aus dem Theaterworkshop. “Gewalt ist keine Lösung”, ratscht da etwa eine den Standardsatz aus der Therapie runter. Wenn auf der Leinwand gesungen und getanzt wird, versteckt sich manch ein Gesicht verschämt lachend hinter dem Sessel der Vorderfrau. Doch je länger der Film, je vielfältiger die Geschichten, je näher die Persönlichkeiten, desto stiller wird es im Saal.

“Ich hab gar nicht mehr gewusst, was ich damals gesagt habe”, erzählt Cindy nach der Vorführung. “Diese Erinnerungen, auch an die anderen Mädchen, haben mich total getroffen.” Sie selbst habe viele Details aus deren Geschichten nicht gekannt. “Aber ich glaube es ist gut, wenn die Leute einmal sehen, wie es hier ist.” Auch die 30-jährige Sophia, die im Film vor allem durch ihren Gesang brilliert hat, ist “erfreut, dass es so ein Erfolg ist.” In der Theatergruppe habe man viele Konflikte ansprechen können und engen Zusammenhalt erlebt. “Und wir hatten viel Spaß.”

Eine solche Wirkung des Theaterspielens hatte sich Brigadier Gottfried Norberger, der Anstaltsleiter, von dem Projekt von Anfang an erhofft. “Das Leben besteht ja nicht nur aus Krankheitsbewältigung, es soll auch eine anspruchsvolle Freizeit geben”, erklärt er gegenüber der APA. Der Film sei eigentlich mehr ein Nebenprodukt gewesen. “Es ist eine Öffnung. Wir wollen, dass die Leute sehen, dass im Gefängnis mehr passiert als nur Wegsperren. Da sind Menschen, die gestraft werden - und wir können uns alle gar nicht vorstellen, was für eine starke Strafe der Entzug der Freiheit ist - aber diese Menschen haben ein Recht darauf, dass sie hier die besten Voraussetzungen für die Zeit nach der Entlassung bekommen.”

Die Institution Gefängnis will Leisch mit “Gangster Girls” allerdings auch gezielt hinterfragen. “Ich weiß nicht, wie sinnvoll es ist, Leute mit Problemen mit Leuten mit noch größeren Problemen einzusperren”, so die Regisseurin, die das Gefängnis vor allem als “sozialen Raum” darstellen wollte. Die Spannungen zwischen den Insassinnen nehmen dann auch viel Platz im Film ein. Nicht zuletzt deshalb ist Cindy ganz froh, dass die meisten aus dem Film nicht mehr da sind. “Wir erkennen uns ja auch unter der Schminke.”