“Gangster Girls”: Hinter Gittern auf der Bühne


Michael Höck, ORF.at  [>]

Mit “Gangster Girls” ist der Viennale tatsächlich eine Entdeckung aus Österreich gelungen: Die nicht perfekte, aber immer interessante Dokumentation der Neo-Regisseurin Tina Leisch bietet einen faszinierenden Einblick in ein österreichisches Frauengefängnis.

“Gangster Girls” ist ein Nachzügler des Gefängnisfilm-Schwerpunkts im Viennale-Programm 2006. In dessen insgeheimem Höhepunkt, der Doku “Balordi”, ging es um in einer toskanischen Festung inhaftierte Mafiosi und ihre Tätigkeit bei der Gefängnistheatertruppe.

Zwischen Spiel und Dokumentation
“Gangster Girls”-Regisseurin Tina Leisch, die eigentlich von der Bühne kommt, hat in der Justizanstalt Schwarzau in Niederösterreich ebenfalls ein solches Projekt gestartet. Gemeinsam mit den Insassinnen erarbeitete sie aus freien Improvisationen ein Theaterstück; der Film koppelt Szenen aus den Proben mit Interviews.

Die Grenze zwischen Spiel und Dokumentation ist dabei fließend: Einerseits verarbeiten die Darstellerinnen in ihren Szenen Erlebnisse aus dem Gefängnisalltag, andererseits sind ihre Gesichter auch bei den Interviews bunt geschminkt - die kreative Lösung des Problems, dass Gefängnisinsassen laut österreichischem Recht zu ihrem Schutz nicht dargestellt werden dürfen.

Verschiedenste Delikte
Schwarzau ist “die einzige für den Vollzug gerichtlicher Freiheitsstrafen an Frauen einschließlich Jugendlichen zuständige Strafvollzugsanstalt in Österreich”, steht auf der Website des Justizministeriums.

Dementsprechend unterschiedliche Persönlichkeiten treffen dort aufeinander: junge Wienerinnen, die die Drogensucht in Beschaffungskriminalität getrieben hat und die einsitzen, weil sie ein paar hundert Euro gestohlen haben; die kultivierte Tirolerin mit Hang zur Selbstdarstellung, die an einem Kreditkartenbetrug gescheitert ist; zwei Brasilianerinnen, die unabhängig voneinander als Drogenkuriere tätig waren und in Österreich gefasst wurden.

Zu wenig distanziert?
Der intime Rahmen des Films, der das nüchterne Szenenbild des Gefängnistheaters nur selten verlässt, um auf den Alltag in der Vollzugsanstalt zu blicken, entwickelt einen faszinierenden Sog, ohne dabei in aufgesetzte Sozialromantik zu verfallen. Heikle Themen wie Drogen und Gewalt hinter Gittern werden nicht ausgespart.

Der große Schwachpunkt von “Gangster Girls” ist wohl, dass Regisseurin Leisch selbst eine so enge Bindung zum Theaterprojekt entwickelt, dass sie den Spielszenen manchmal eine zu große Rolle einräumt. Mangelnde Distanz hin oder her - “Gangster Girls” hat auf jeden Fall einen regulären Kinoeinsatz verdient.